Wer an einer Kunsthochschule studiert, erlebt eine besonders kreative Studienzeit. Wer anschließend die Kunst zum Beruf machen möchte, benötigt ein besonderes Maß an Selbstbewusstsein. Die Muthesius-Absolventin Franziska Ostermann hat sich auf diesen Weg begeben. Im CAMPUS-Interview spricht die 26-jährige Kielerin über ihr Studium, die Kunst und … die Farbe Weiß.
Hallo Franziska. Du hast 2018 deinen Masterabschluss in Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Fotografie an der Muthesius Kunsthochschule Kiel absolviert und bist seit einigen Jahren aktiv als freischaffende Künstlerin tätig. Wie wird deine Kunst vom Publikum aufgenommen?
Um eine Reaktion lesen zu können, muss ich meine Kunst zunächst einem Publikum zugänglich machen. Zu meiner künstlerischen Arbeit gehört so auch immer das Suchen nach und Bewerben um Ausstellungsmöglichkeiten. Letztes Jahr konnte ich meine Arbeit auf Gut Wittmoldt bei Plön in einer großen Einzelausstellung zeigen, das war wunderbar. Auch in Hamburg, Kiel, Berlin oder Flensburg habe ich meine Arbeit bereits ausgestellt. Es ist schön, wenn viele Medien darüber berichten, jede Rückmeldung ist wertvoll.
Hast du bewusst den Entschluss gefasst, an der Kunsthochschule zu studieren?
Mit 15 habe ich aktiv zu fotografieren begonnen. Nach dem Abitur, ich besuchte das Gymnasium Elmschenhagen, war mir klar, dass ich studieren wollte. Germanistik oder Philosophie vielleicht. Es zog mich also auch an diesem Punkt schon in die Geisteswissenschaften, wie ich heute einzuordnen weiß. Schließlich überwog der Wunsch, meiner Leidenschaft, der Fotografie zu folgen. Ich recherchierte und fand heraus, dass ich mich an der Muthesius im Schwerpunkt Kommunikationsdesign nach dem Grundstudium auf die Fotografie spezialisieren konnte. Mein Entschluss stand fest. Und das eine Woche vor Mappenabgabe.
Wie bewertest du im Nachhinein deine Studienzeit?
Es war großartig, plötzlich Zugang zu so viel Wissen auf für mich spannenden Gebieten zu erlangen. Ich belegte alle Vorlesungen und Seminare, die mich interessierten und schließlich auch noch zusätzliche an der CAU, um mir Wissen über das Schreiben einzuholen, für das ich eine zweite Leidenschaft erkannte. Auch der wissenschaftliche Zugang zur Kunst- und Medienphilosophie, den ich an der Muthesius Kunsthochschule erhielt, hat meinen Weg sehr bereichert. Mit etwas Mut kann man hier allen Ideen folgen, die sich in den Kopf setzen.
Apropos Mut. Braucht es Mut, um den Berufsweg Künstlerin zu wählen?
Es gehört sehr viel Überzeugung und auch Mut dazu, ja. Der Weg wird nicht der leichteste, aber welcher wäre das schon? Es ist sicher ein interessanter, herausfordernder, der auf Gebieten schult, die in keinem Curriculum stehen. Ich empfinde meine künstlerische Leidenschaft als Geschenk. Ich weiß genau, was ich will und ich weiß, dass ich dem folgen werde. Um meine Zeit ausschließlich meiner Kunst widmen zu können, brauche ich Unterstützung. Förderungen in Form von Auszeichnungen, Ausstellungsmöglichkeiten oder Stipendien sind hierfür essenziell. Über die Graduiertenförderung der Muthesius wird mir beispielsweise gerade ein gemeinsames Atelier mit meiner Kollegin Peggy Stahnke ermöglicht.
Du arbeitest mit fotografischen Montagen und Texten. Welche Themen verfolgst du?
Was mich umtreibt, ist das Verhältnis von Zeit und Raum in den Medien Text und Bild. Im Bildraum kann man durch die Zeit getrennte Ansichten einander gegenüberstellen. Das finde ich faszinierend. Ich empfinde die Fotografie als eine Brücke zwischen den Zeiten. Gerade habe ich einen Gedichtband herausgebracht. Das Selbstportrait ist ein zentraler Punkt meiner Arbeit; wenn ich mich selbst fotografiere, bin ich gleichzeitig Fotografin und Fotografierte. Ist das nicht erstaunlich?
Lässt sich deine Arbeit mit dem fotografischen Selbstportrait an die Selfie-Kultur anschließen?
Als ich begann, mich selbst zu fotografieren, war mir das Wort ‚Selfie‘ noch kein Begriff. Es galt vielmehr als etwas verpönt, sich selbst auf diese Weise zu inszenieren. Ich finde es überaus spannend, Teil dieser Bewegung zu sein und beobachte die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu meiner Arbeit mit großem Interesse.
Kannst du einen dieser Unterschiede in Worte fassen?
Es scheint mir, als würde in den sozialen Netzwerken oft Perfektion angestrebt. Perfektion von Körpern, Perfektion von Bildern. Aber was soll Perfektion in diesem Zusammenhang überhaupt sein? Glatt, makellos, vielleicht. Meine Bilder sind schön, aber streben keinen Perfektionismus an. Durch Brüche in der Montage und mittels der Grenzen der Technik hinterfrage ich den Illusionismus von Fotografie.
Das Weiß nimmt eine zentrale Rolle in deiner Arbeit ein. Deine Kleidung, dein Atelier – alles ist weiß.
Ja, ich umgebe mich seit vielen Jahren mit Weiß. Es wirft viele Fragen auf, ist unergründlich und dann wieder mit vielen Bedeutungen besetzt. In Europa steht Weiß beispielsweise für Unschuld oder Reinheit, im asiatischen Kulturraum für den Tod. Es kann sowohl die Anwesenheit als auch die Abwesenheit aller Farben bedeuten. Indem ich Weiß trage, sage ich auch: Ich bin meine Arbeit.
Wie erhältst du die Möglichkeit, deine Bilder ausstellen zu können? Bewirbst du dich direkt bei Ausstellungshäusern?
Um meine Bilder zeigen zu können, brauche ich zunächst ein großes Netzwerk aus Kontakten. Ich bewerbe mich kontinuierlich auf Stipendien oder Ausstellungsmöglichkeiten, kontaktiere Galerien und schaue nach Ausschreibungen. Das ist oft ein mühsamer Prozess, der mit vielen Absagen verbunden ist.
Was ist dein nächstes Projekt?
Ich arbeite momentan an vielen Projekten gleichzeitig. Eine nächste Arbeit wird ein fotografisch-literarischer Essay, in dem ich die Medien Text und Fotografie sich gegenüberstelle.
Wo würdest du deine Arbeiten am liebsten ausstellen?
Ich möchte meine Werke gerne in Berlin zeigen. Die Fotogalerie C/O wäre ein großes Ziel für die Zukunft.
TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Franziska Ostermann