
„Schule gestalten heißt Zukunft gestalten“
Seit dem 1. September ist Nele Neumann Koordinatorin der Ferdinand-Tönnies-Schule in Husum. Die Gemeinschaftsschullehrerin hat ihre Unterrichtstätigkeit reduziert, um die pädagogische und organisatorische Koordination zu übernehmen. Sie kommt aus der Region und freut sich, in Husum Verantwortung zu übernehmen.
„Wir müssen Prioritäten setzen und transparent machen, warum wir etwas tun“
DIGI:BO: Frau Neumann, Sie sind seit dem 1. September Koordinatorin der Ferdinand-Tönnies-Schule. Was genau umfasst Ihre neue Aufgabe?
Nele Neumann: Ich gehöre als Koordinatorin zur erweiterten Schulleitung, die bei uns aus Frau Humbroich, Herrn Sechting und mir besteht. Wir bilden also ein neues Dreierteam. Mein offizieller Titel lautet Koordinatorin für pädagogische und organisatorische Aufgaben an der Schule. Das ist alles noch relativ neu, auch für mich persönlich, da ich vorher an der Gemeinschaftsschule in Viöl gearbeitet habe. Nach einigen Jahren dort habe ich mich auf diese Stelle beworben, weil ich Lust hatte, Schule aktiv mitzugestalten.
Es heißt oft, Schule sei heute so komplex, dass es ohne Koordinatorinnen und Koordinatoren kaum noch gehe. Wie erleben Sie das?
Das kann ich absolut bestätigen. Ich bin nicht nur neu in dieser Position, sondern auch noch relativ jung und habe daher eine aktuelle Perspektive. Schule ist ein sehr komplexes System, in dem viele Erwartungen zusammenkommen: von Schülerseite, von Eltern, vom Kollegium und natürlich auch vom Ministerium in Kiel. Alle haben grundsätzlich die gleichen Ziele, aber die Kunst besteht darin, nicht alles gleichzeitig schaffen zu wollen. Wichtig ist, Prioritäten zu setzen, transparent zu sein und Haltung zu zeigen, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen.
Wie gelingt es Ihnen im Dreierteam, solche Entscheidungen zu fällen und Prioritäten zu setzen?
Wir haben regelmäßig Austausch in unserer Schulleitungsrunde. Das ist immer ein guter erster Schritt, um einen gemeinsamen Konsens zu finden. Dann überlegen wir, welche Themen die Schule im Moment am meisten voranbringen. Wir haben hier ein tolles Kollegium, in dem viele Verantwortung übernehmen. Manchmal heißt das auch, dass man gewisse Dinge priorisieren und andere erst einmal hinten anstellen muss. Diese Entscheidungen treffen wir immer im Team.
Zertifikate, Auszeichnungen und Projekte sind für Schulen oft verpflichtend und müssen regelmäßig erneuert werden. Ist das eher Belastung oder Bereicherung?
Ich sehe das als Bereicherung, weil wir für die unterschiedlichen Bereiche Kolleginnen und Kollegen haben, die dafür zuständig sind. Sie besuchen Fortbildungen und bringen ihre Erkenntnisse anschließend in die Schule ein. Wir versuchen, das integrativ umzusetzen, zum Beispiel bei unserem Leitbild ,Die lesende Schule‘. Das ist ein Thema, das wächst und sich auch in künftigen Herausforderungen widerspiegeln wird. Wir setzen uns in Teams zusammen, brainstormen, besprechen die Ideen in den Fachschaften und versuchen, das gemeinsam umzusetzen.
Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Funktion am meisten: mit pädagogischen Konzepten, Personalfragen oder mit den Schülerinnen und Schülern selbst?
Das ist ein Spannungsfeld, und deshalb braucht es viele Köpfe, die gemeinsam draufschauen. Ich bin sehr froh, dass wir hier als Dreierteam aufgestellt sind. Natürlich ist unser erster Blick immer auf die Schülerinnen und Schüler gerichtet: Wie können wir sie bestmöglich auf die Lebenswelt vorbereiten? Durch Berufsberatung, durch unsere Berufsorientierungsmesse. Wir wollen, dass sie sich gut auf den Alltag vorbereitet fühlen. Gleichzeitig gibt es viele Faktoren, die diesen Weg beeinflussen: personelle Ressourcen, gesellschaftliche Erwartungen oder individuelle Förderbedarfe. Das alles spielt hinein, aber der Fokus liegt immer auf den Schülerinnen und Schülern.
Wie gehen Sie an der Schule mit Diskriminierung um?
Die Tendenzen in der Gesellschaft spiegeln sich natürlich auch in unseren Klassenzimmern wider. Wegschauen ist bei uns keine Option. Wir haben mit unserem Sozialarbeiterteam eine großartige Unterstützung, die auch außerhalb des Unterrichts in den Dialog geht. Wir zeigen klare Haltung, wirken mit Werten dagegen und nehmen uns an Präventionstagen bewusst Zeit, aktuelle Themen in den Fokus zu rücken. Uns ist wichtig, dass solche Dinge nicht unbemerkt weiter schwelen.
Wie bewerten Sie die Berufsorientierungsmaßnahmen an Ihrer Schule?
Unser Kollege Herr Borck kümmert sich um die Berufsorientierung, und wir haben zusätzlich eine Berufsberaterin im Haus. Ich finde, die Schülerinnen und Schüler nehmen das sehr gut an, besonders auch jetzt in der Jahrgangsstufe 8, wo es um Praktika geht. Viele sind dankbar, dass wir eine Brücke schlagen zwischen Schule und Berufswelt. Die Lage in Husum ist da natürlich ein großer Vorteil. Wir sind umgeben von Unternehmen, und die Schülerinnen und Schüler können direkt Kontakt aufnehmen, wenn sie sich für einen Beruf interessieren. Das ist eine sehr gute Zusammenarbeit.
Auch Berufsmessen wie die Vocatium sind in Husum stark vertreten. Welche Rolle spielen sie?
Eine sehr große. Die Vocatium ist gleich bei uns um die Ecke, ein niedrigschwelliges Angebot, das sich wirklich bewährt hat. Die Jugendlichen haben heute ein unglaublich breites Angebot an Möglichkeiten. Das ist toll, kann aber auch verunsichern, weil die Angst besteht, sich falsch zu entscheiden. Genau da helfen solche Veranstaltungen, weil sie persönlichen Kontakt ermöglichen und Orientierung geben.
Glauben Sie, dass Schule heute nur noch in Leitungsteams funktionieren kann wie bei Ihnen an der FTS?
Ich glaube, es ist ein großer Vorteil. Eine gute Schulleitung ist wichtig, um Wege in dieser ganzen Systemkomplexität zu ebnen. Aber es stärkt uns alle, wenn wir Themen aufteilen und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, auch aus denen der jüngeren Generation. So kann man voneinander lernen und sich gegenseitig stützen, gerade in stressigen Zeiten. Es ist sinnvoll, mehrere Ansprechpartner zu haben, um Probleme gemeinsam zu meistern.
Ein Klischee besagt, Frauen seien für Führungsaufgaben besonders geeignet, weil sie kommunikativer oder empathischer seien. Sehen Sie das auch so?
Nein, ich glaube nicht, dass das noch geschlechtsspezifisch ist. Das hat sich verändert. Heute geht es in Führungsrollen vor allem um Kommunikation, Empathie und Kooperation. Das ist kein Frauenthema, sondern eine Frage des Stils und der Haltung.
Was wäre Ihr persönlicher Leitspruch für Ihre Arbeit als Koordinatorin?
Meine Vision von Schule ist, Schülerinnen und Schüler mit Lernfreude auf das Leben vorzubereiten. Jeder soll hier das Gefühl haben, wachsen zu können, sich auszuprobieren und Fehler machen zu dürfen. Vielfalt als Stärke zu sehen, Verantwortung füreinander zu übernehmen, das ist mein Ziel. Denn nur, wenn wir gegenseitig Verantwortung tragen, können wir auch Verantwortung für die Welt übernehmen.
TEXT Anja Nacken
FOTO privat
So geht Berufsorientierung
Eine korrekte und aussagekräftige Bewerbung ist der erste Schritt auf dem Weg in die Ausbildung. In unserem Servicebereich steht außerdem, wie man die nachfolgenden Herausforderungen in Vorstellungsgespräch, Assessmentcenter und dem Start ins Arbeitsleben erfolgreich meistert.



