
„Die Berufsorientierung muss dynamisch bleiben“
Florian Borck über die Bedeutung von Messeformaten, ganzheitlicher Begleitung und kontinuierlicher Weiterentwicklung
WiPo- und Mathematiklehrer Florian Borck ist seit 2012 BO-Lehrer an der FTS und verantwortet die Umsetzung der Berufsorientierungsmesse. Der 43-Jährige ist nach wie vor vom Messeformat begeistert, und auch Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie partizipierende Unternehmen und Betriebe geben regelmäßig positive Rückmeldung. Im Gespräch über berufliche Orientierung, schulische Verantwortung und persönliche Motivation wird deutlich, wie leidenschaftlich sich Florian Borck für seinen Aufgabenbereich einsetzt – und warum er die Messe als Herzstück seiner Arbeit sieht.
DIGI:BO: Herr Borck, wie kommt die Messe bei den Beteiligten an?
Florian Borck: Wir selbst gehen proaktiv auf alle zu und fragen nach, aber auch die Unternehmen selbst kommen auf uns zu. Zudem erfassen wir über die Befragungsplattform LeOniE.SH Meinungen und erhalten viel positives Feedback. Sehr gut kommt neben dem Programm auch unsere Location an. Statt alle in der Sporthalle zusammenzupferchen, nutzen wir einzelne Räume im Schulgebäude. So haben alle Beteiligten die Möglichkeit, in Ruhe unter zwei, vier oder auch sechs Augen zu sprechen. Und da entsteht in der Regel eine ganz entspannte Atmosphäre. Die Messe ist für Klasse acht bis zehn verpflichtend. Da wir keine Riesenschule sind, verteilen sich die 200 bis 225 Schülerinnen und Schüler optimal. Die Verteilung auf die Räume wirkt sich sehr angenehm auf das Ambiente und die Stimmung auf. Es ist eher so, dass mal fünf Minuten Leerlauf im Raum ist. Aber auch das ist vielleicht nicht so schlecht, um sich wieder zu sortieren oder mal eine kleine Pause zu machen. Da kommen viel produktivere Gespräche bei herum.
Borck macht BO – wie ist es zu dieser Verbindung gekommen?
Viel hat damit zu tun, dass ich nicht den geradlinigen Weg über das Gymnasium und das anschließende Studium gegangen bin. So habe ich nach der mittleren Reife zunächst eine Berufsausbildung absolviert und das Abitur über den zweiten Bildungsweg gemacht. Für Politik hatte ich mich schon immer interessiert, und das Interesse an Wirtschaft wuchs mit der Zeit ebenfalls – auch durch das Abitur. So bin ich in den Wirtschafts- und Politikzweig gekommen, hatte meine Ausbildung bereits im Gepäck und war somit prädestiniert für die Stelle. Dazu kommt noch: Ich habe total Lust darauf, dieses Thema zu vermitteln und mich in der Berufsorientierung zu engagieren. In meiner Schulzeit war die Berufsorientierung an der Schule echt mau, das wollte ich unbedingt ändern.
Woran erinnern Sie sich bei Ihrer eigenen Berufsorientierung?
Die bestand im Wesentlichen aus einem Betriebspraktikum. Das ging bislang allen so, mit denen ich über ihre Schulzeit in den Achtzigern und Neunzigern gesprochen habe. Vielleicht war da noch mehr, aber es war nicht so einprägsam. Dabei ist es so spannend, Schülerinnen und Schülern das Thema und die damit verbundenen Perspektiven näherzubringen und andere Zugänge zu gewähren. Ob die Messe oder der Austausch mit Experten – das gab es so früher nicht.
Kommt die Berufsorientierung an der FTS einer Querschnittsaufgabe gleich?
Ich bin hauptverantwortlich. Alles, was in diesem Bereich passiert, läuft zu 99 Prozent über meinen Schreibtisch. Ich plane, schreibe das Curriculum, gestalte die Termine zur Berufsorientierung für das Schuljahr. Die Praktika werden im Kreis koordiniert und ich regle den Anteil, den es an der Schule zu regeln gilt, gebe Pläne raus, spreche Kollegen an. Teilweise hole ich mir Hilfe. Wenn ich bei Planung, Organisation oder Umsetzung noch etwas brauche, versuche ich, die Leute rechtzeitig mit an Bord zu holen. Jetzt findet in Kürze der Stärkenparcours für uns statt. Es ist eine Pflichtveranstaltung für die siebte Jahrgangsstufe. Alle Gemeinschaftsschulen müssen teilnehmen. Auf die Schülerinnen und Schüler warten dort verschiedene Aktivitäten und am Ende erhalten sie eine Rückmeldung dazu, was sie gut können. Auch da sind die Kollegen involviert, da ich nicht mit jeder Klasse hinfahren kann.
Wie wird das Thema im Unterricht aufgegriffen?
Natürlich findet das Thema in WiPo Beachtung. Da ich Fachleiter in WiPo bin, habe ich das Curriculum geschrieben und es ist von der Fachschaftskonferenz abgesegnet. Danach richten wir uns grob. Wir haben auch Spielraum, das Ganze individuell zu gestalten. Aber es gibt diesen Fahrplan, in dem die Berufsorientierung auftaucht. In Klasse acht gibt es zwei Unterrichtseinheiten dazu. Berufsorientierung ist eine Querschnittsaufgabe. Alle Klassenleitungen haben mit Berufsorientierung zu tun. Sie begleiten das Praktikum oder fahren mit, führen Listen und auch im Unterricht behandeln sie das Thema. So wird in der fünften Klasse zum ersten Mal ein Steckbrett geschrieben, das in Richtung Lebenslauf geht. In Deutsch lernen die Kinder später, Bewerbungsschreiben zu schreiben. Dies geschieht in Absprache mit der WIPO-Lehrkraft. So lehren wir nicht das Gleiche, sondern ergänzende Inhalte.
Wie gestaltet sich der Kontakt zu den Unternehmen?
Der Fixpunkt ist die Messe. Die Anzahl der Einladungen an die Unternehmen und die Anzahl der Teilnehmer wächst kontinuierlich. Darüber entstehen hauptsächlich die Kontakte zwischen Schülerinnen und Schülern und den Betrieben. Auch unsere festgelegten alljährlichen Programmpunkte im Schuljahr helfen dabei, Kontakte aufzubauen. Unsere Messe, Praktikum, Lehrstellenrallye, seit zwei Jahren die Teilnahme an der Vocatium. Aber es gibt auch immer wieder einzelne Termine wie Tage der offenen Tür, Betriebsbesichtigungen und dergleichen. Je nach zeitlicher Kapazität nehmen wir auch solche Angebote wahr. Mich erreichen häufig Mails von Unternehmen, die noch Ausbildungsplätze zu vergeben haben. Wir haben gegenüber der Mensa eine große Pinnwand für Berufsorientierung. Ich muss natürlich selektieren, welche Aushänge wir dort platzieren, aber an sich ist es eine Win-Win-Situation für Schülerinnen und Schüler und die suchenden Betriebe.
Wie werden die Eltern mit in den Prozess eingebunden?
Sie werden von Anfang an in den Prozess mit einbezogen. Am Ende der siebten Klassenstufe führe ich einen Elternabend durch, einen Infoabend zur beruflichen Orientierung. Das heißt, die Eltern, die im darauffolgenden Schuljahr Achtklässler haben, haben die Möglichkeit, sich grundlegende Infos zu einzuholen. So erhalten sie eine Idee davon, was dieser Zettel bedeutet und was jene Anmeldung soll. Oder warum es jetzt schon wieder eine Einverständniserklärung gibt. Der Abend dient der Aufklärung über diese bürokratischen Aufgaben. Ich vermittle bei dieser Veranstaltung auch, dass die Berufsorientierung nicht nur Aufgabe der Schule ist. Wir können das nicht alles leisten. Machen aber auch ganz klar deutlich, was genau wir leisten, worin unser Anteil besteht. Wir können Informationen liefern und Kontakte herstellen, Hemmschwellen abbauen und durch die Experten, die wir in die Schule holen oder zu denen wir rausgehen, Nahbarkeit schaffen.
Und wo liegen die Grenzen?
Was wir nicht können: Ausbildungsplätze direkt vermitteln. Da wäre es Aufgabe der Eltern und der Schülerinnen und Schüler zusammen mit der Berufsberatung oder dergleichen, ihren Beitrag zu leisten. Ich versuche von Anfang an mitzuteilen, dass die Verantwortung der Berufsorientierung bei uns allen liegt. Auch zur Messe sind die Eltern herzlich zum Austausch eingeladen. Unternehmen, Beratungsstellen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler – alle treffen bei der Messe aufeinander und schnacken meistens nachher noch in der Mensa. Die Berufsorientierung muss dynamisch bleiben und sich stets weiterentwickeln.
Kann man die Erfolge der Messe skalieren?
Leider nicht so, wie ich es mir wünsche. Ich kann am Ende nicht beziffern, wie erfolgreich die Messe tatsächlich ist. Ich kann es nur daran festmachen, was ich für Rückmeldungen erhalte und mit welchem Gefühl alle nach Hause gehen oder was mit der Zeit daraus erwächst. Es kann sein, dass ein Achtklässler die Messe besucht, in der 9. Klasse sein zweites Praktikum macht und sich daran erinnert, ein Jahr zuvor ein tolles Gespräch auf der Messe gehabt zu haben. Und das kann dann der Einstieg für ein tolles Praktikum oder sogar ein Ausbildungsplatz sein.
Was, wenn Schülerinnen und Schüler weiter zur Schule gehen möchten?
Wir haben eine Kooperation mit dem beruflichen Gymnasium. Das berufliche Gymnasium ist quasi unsere Oberstufe. Wenn die Schüler einen bestimmten Notendurchschnitt erreichen, erwerben sie automatisch das Anrecht, dort einen Platz zu bekommen. Sie müssen sich nicht bewerben, sondern erhalten die Zusage, wenn sie den nötigen Schnitt haben. Es gibt einige, bei denen ist dieser Werdegang schon früh absehbar und klar, dass sie hoch hinaus wollen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie in der Berufsorientierung verbessern?
Der Bereich ist schon mit viel Zettelwirtschaft verbunden und ist sehr zeitintensiv – allem voran vor der Messe. Es wäre natürlich toll, wenn es da mehr als die zwei vorhandenen Stunden Ausgleich gäbe. Aber wenn ich einen einzigen Wunsch frei hätte, dann wäre es eine Berufsberaterin, die ausschließlich für unsere Schule zuständig wäre. Jemand, der die Schülerinnen und Schüler noch besser kennt und nicht drei, vier, fünf Schulen begleitet. Jemand, der stärker verfügbar ist und anders eingebunden werden kann. Katja Ehmann macht das wunderbar, so wie ihre Vorgängerinnen und Vorgänger auch. Wir arbeiten alle super zusammen, aber noch mehr Zeit für Schülerschulungen, Trainings und Einzelgespräche zu haben, das wäre klasse.
TEXT Kristina Krijom / Markus Till
FOTO Mubarak Bacondo
So geht Berufsorientierung
Eine korrekte und aussagekräftige Bewerbung ist der erste Schritt auf dem Weg in die Ausbildung. In unserem Servicebereich steht außerdem, wie man die nachfolgenden Herausforderungen in Vorstellungsgespräch, Assessmentcenter und dem Start ins Arbeitsleben erfolgreich meistert.



