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„Über Umwege lernt man die Landschaft kennen.“

Axel Prahl, einer der beliebtesten deutschen Künstler und gebürtiger Eutiner, über prägende Schulwechsel, überraschende Erkenntnisse im Handwerksunterricht und seinen Weg in die Schauspielerei

Hört man den Namen Axel Prahl, geht bei vielen das Kopfkino los. Denken die einen an den HSV-liebenden Münsteraner Tatort-Hauptkommissar Frank Thiel, sehen ihn die anderen in der aktuellen Rolle des engagierten Lehrers in der Fernsehreihe „Extraklasse“ oder erinnern sich an zahlreiche große Auftritte in Kino- und Fernsehfilmen, auf Theaterbühnen des Landes, als Sänger oder Synchronstimme für Filme, Hörbücher und Hörspiele. Doch dass er einmal Schauspieler werden würde, stand für den mehrfach ausgezeichneten Tausendsassa mit der Stimme, die nach Meer und Melancholie klingt, erst während seines Lehramtsstudiums fest und ergab sich beinahe zufällig.

Schulrallye in Eutin

So fleißig er heute Texte auswendig lernt, so fleißig war Axel Prahl als Schüler nicht immer. Wenngleich seine Hand beim Gedichtrezitieren mit als erstes in die Höhe schnellte, fühlte er sich in der Retrospektive zu jung, um den Sinn von Schule zu verstehen: „Ich war einfach noch nicht reif genug. 1960 geboren, waren wir ein geburtenstarker Jahrgang und dadurch dauerten die erste und zweite Klasse jeweils nur ein halbes Jahr.“ Seine schulischen Leistungen zwangen ihn später, von der Realschule auf die Hauptschule zu wechseln. An der Berufsfachschule holte er anschließend den Realschulabschluss und das Abitur nach, um daraufhin Mathematik und Musik auf Grund- und Hauptschullehramt zu studieren – vorerst … Die Schulzeit konturierte Axel Prahl zu einem Gerechtigkeit liebenden Menschen. „Wegen meiner Größe gehänselt zu werden, ging mir extrem auf die Nerven. Zudem nagte es an mir, wenn man fälschlicherweise vom Lehrer dafür bestraft wurde, geschwatzt zu haben. So hat sich bei mir ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden entwickelt.“

Handwerk als Sinnschmiede

An die Berufsfachschule hat der gebürtige Eutiner viele angenehme Erinnerungen. „Mein dortiger Englischlehrer war großartig. Zur damaligen Zeit habe ich selbst Irish Folk gemacht und wir hatten ein Sprachlabor. Ich war ziemlich schnell fertig mit meinen Aufgaben und dann hat mir mein Lehrer auf meine Kopfhörer Irish Folk eingespielt und fragte mich, ob ich das schon kennen würde.“ Während seines Grundbildungsjahrs an der Berufsfachschule lernte er Fertigkeiten wie Drehen, Feilen und Schweißen. „An der Drehbank zu stehen, ein Werkstück einzuspannen und es zu einem Türgriff zu formen, war eine tolle Erfahrung, wenngleich alle Werkstücke etwas krumm und schief wurden. Ich bin froh, mein Abitur über den zweiten Bildungsweg abgelegt zu haben. Durch den praktischen Unterricht an der Berufsfachschule weiß man erst, wofür man die ganze Theorie in der Oberstufe braucht. Man erhält einen Zugang.“ Prahl schaut liebevoll auf die Stationen seiner Schullaufbahn zurück und ist sich sicher: „Über Umwege lernt man die Landschaft kennen.“

Tausche Tafel gegen Bühne

„Aufgrund der vielen Urlaubstage von Lehrern entschloss ich mich dazu, an der Pädagogischen Hochschule Lehramt für die Grund- und Hauptschule zu studieren. Einmal hatte ich keine Lust, eine Hausaufgabe zu erstellen, und zeichnete sie als Comic. Der Didaktiklehrer war begeistert und händigte allen eine Kopie aus. Das war mir einerseits peinlich, aber andererseits fragte ich mich, warum nicht längst so gearbeitet wird. Ich finde, Lehrer sollten auch Entertainer sein, ihre Schüler begeistern und sie da abholen, wo sie stehen.“ Da er im fünften Semester auf eine überschaubare Anzahl bestandener Studienleistungen blickte, legte man ihm nahe, sich umzuorientieren. „Damals wohnte ich mit einer Freundin zusammen, die die Schauspielschule besuchte. Sie riet mir, mein Herumblödeln zu kultivieren, woraufhin ich mich an der Schauspielschule bewarb und angenommen wurde. Die Schauspielschule ging pleite, doch der damalige Schauspieldirektor von Kiel engagierte alle Schüler für seine Inszenierung von Kiss me Kate und mich für die Dreigroschenoper. So startete das Abenteuer Schauspiel.“

Wünsche an das Bildungswesen

Für den heutigen Unterricht wünscht sich Axel Prahl noch mehr lebensnahen Unterricht, der praktische Themen aufgreift. Auch dass Bildung noch immer vielfach vom Einkommen der Eltern abhängig ist, treibt ihn um. „Bildung ist das A und O für die kommende Generation, die nach Lösungswegen suchen und forschen muss, wie wir es schaffen, das mit der Erde noch gebacken zu kriegen.“ Für die unterschiedlichen Schulformen wünscht sich das gebürtige Nordlicht eine gleichermaßen respektvolle Anerkennung. „Talente sind nicht gerecht verteilt. Im Handwerk, in dem ich kein Talent besaß, besitzt jemand anderes ein großes Talent.“ Wichtig sei es, einen Beruf zu finden, der einen auf Dauer nicht langweile und bei dem man Erfolgsergebnisse erzielt. „Dann ist es doch völlig egal, ob man einen Hauptschul-, einen Realschulabschluss oder ein Abitur hat.“

Dieser Text ist auf Basis des Podcasts „#31Hauptschule ist nicht das Ende – mit Schauspieler Axel Prahl“ entstanden.

TEXT Kristina Krijom
FOTO Gerhard Westrich/laif

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